Kennst du das? Du fährst die Straße entlang und dann auf einmal eine Baustelle. Eine ziemlich große Baustelle. Und es sieht so aus, als kämst du nicht daran vorbei. Überall sind rot-weiße Absperrbänder, unterschiedliche Beschilderungen und jede Menge Bauarbeiter. Die Absperrungen, so wie sie aufgestellt sind, ergeben für dich keinen Sinn und die Symbolik der Schilder kennst du nicht. Sie sehen fremd aus. Aber die Bauarbeiter scheinen diese Schilder zu kennen. Jeder von ihnen macht fokussiert seinen Job. Du stehst da und die meisten Arbeiter sehen dich nicht an, nehmen dich nicht wahr. Einer winkt dir aber zu, du sollst mit dem Wagen auf ihn zurollen. Dann weist er dich an, anzuhalten und das Fenster zu öffnen:
„Hier ist eine Baustelle. Haben Sie die Markierung zuvor nicht gesehen? Umdrehen können Sie nicht mehr, aber hier wird es etwas dauern. Bringen Sie Zeit und Geduld mit. Wir machen die
Straße auf, beheben den Schaden im Untergrund, erneuern Leitungen und versiegeln das Ganze anschließend wieder. Am besten Sie fahren nach dort vorne und stellen sich links in die Nische. Mein
Kollege wird Sie anleiten.“
Bei diesen Worten denkst du dir: Was geht denn hier ab? Ich warte doch nicht. Ich drehe einfach um. Und dann schaust du in den Rückspiegel, um nach einer Wendemöglichkeit zu sehen und du
erkennst: da ist keine Straße mehr. Der Boden unter deinen Füßen ist nicht mehr derselbe. Es gibt kein Zurück mehr. Nur noch ein Voraus durch die Baustelle. Nur noch ein Aufbringen von Zeit und
Geduld. Und nur noch ein Glauben an die Bauarbeiter, die hoffentlich wissen, was sie tun. Denn du selbst kannst nichts tun, du kannst ja nicht einmal die Beschilderung entziffern. Nun brauchst du
Zeit, Geduld und Vertrauen. Und du bringst es auf. Du musst es aufbringen. Eine andere Chance gibt es für dich nicht. Der Boden unter deinen Füßen ist nicht mehr derselbe, wenn du eine
Krebsdiagnose erhalten hast.
Baustelle voraus ist das erste von 17 Kapiteln meines Buches: Fürstin des Lebens. Geschichten, die die Zeit der Chemo verschönern. In solch einer Baustelle stand ich im November 2021, als ich die Diagnose Eierstock- und Gebärmutterschleimhautkrebs erhielt. Der Boden unter meinen Füßen war nicht mehr derselbe und ich musste während der Zeit in der Baustelle viel Geduld aufbringen. Geduld und das Vertrauen, dass die Bauarbeiter gute Arbeit leisten und dass die Baustelle einst wieder eine gute Straße werden wird, auf der geschmeidig gefahren werden kann.
Doch allein auf die Bauarbeiter vertrauen und hoffnungsvoll auf ein Wunder zu warten, war mir zu wenig. Ich spürte in mir die Notwendigkeit, die Zone der Passivität zu verlassen und aktiv in das
Tun zu kommen, tätig zu werden. So begann ich herausfordernde Themen, die während einer Krebserkrankung aufkommen, zu reflektieren, positive Perspektiven zu entwickeln, um die eigene Autonomie
wiederzuerlangen. So entstand dieses Buch.
So wie eine Krebserkrankung nicht linear verläuft, so verhält sich auch dieses Buch auf den 180 Seiten. Man kann von vorne nach hinten lesen, am Ende beginnen und am Anfang abschließen oder
einfach mittendrinnen lesen. Jedes Kapitel steht für sich. So wie jeder Tag während der Erkrankung für sich steht. Mal ist man in der Lage, motiviert den ganzen Tag zu nutzen, ein anderes Mal
schafft man es nur innerhalb eines kurzen Zeitraums sich zu fokussieren. So enthält auch das Buch kurze Kapitel, die von einer Seite reichen, bis hin zu längeren Geschichten über 15 Seiten.
Das Buch kann einfach durchgeblättert werden, um den Fokus mal auf das eine, mal auf das andere zu legen, je nach Tagesform. Die selbstillustrierten Bilder sind Abwechslung und Impulsspender
zugleich.
Egal, ob lang oder kurz, leichte oder tiefgründige Texte, alle Kapitel bieten kraftvolle Strategien, hilfreiche Ansätze und unterstützende Lösungen, um nicht ausschließlich den
Bauarbeitern die Kontrolle über das eigene Leben zu überlassen. Was braucht jemand, der die Diagnose Krebs erhalten hat? Was braucht er nicht? Was sagt die innere Stimme? Wird sie in dem ganzen
Trubel rundum Behandlungen, Terminen, dem Gedankenkarussell etc. überhaupt gehört? Was oder wer steht im Mittelpunkt? Was tut gut? Was bereichert das Leben?
Die Inhalte des Buches ermutigen, inspirieren und bestärken, um dem Leben in dieser Krise eine neue Richtung zu geben, um auch bei Krebs erfüllend zu leben. Denn es kommt die Zeit, da ist die
Baustelle beendet und die Behandlungen sind abgeschlossen. Bis dahin gibt es eine Menge zu bewältigen und zu lernen auf der Straße des Lebens. Mit den erworbenen Erkenntnissen aus der
Baustellenzeit, dem erweiterten Wissen über die eigene Person in Ausnahmezuständen, mit den Narben der gesammelten Erfahrungen setzt du deine Fahrt fort, du hast die Baustelle passiert.
Und so fährst Du auf einer Straße, die gerade neu gemacht wurde.
Es fühlt sich gut und geschmeidig an. Und es läuft einfach.
Und während du fährst, tauchen links und rechts am Straßenrand Schilder und Markierungen auf. Und der Straßenbelag verändert sich.
Abzweigungen und Parkmulden begegnen dir.
Du erinnerst dich an die Ausnahmesituation in der Baustelle.
Dort, wo dein Weg unpassierbar war, wo alles anders war, wo ein Schleier dir die Klarheit verdeckt hat. Doch Klarheit ist das, was du brauchst.
Klarheit lässt dich erkennen und reagieren.
Wenn du mit dir eine klare Einheit bildest, hast du Klarheit.
Ein Hinweis ertönt:
„Achtung, Achtung eine wichtige Mitteilung an den Fahrer:
Du bist der Fahrer auf deinem Lebensweg und verantwortlich dafür, dass dein Wagen in Schuss bleibt. Denn er bringt dich dorthin, wo du ihn hinsteuerst. Du entscheidest das Reiseziel, ob
Routen verändert und Pausen eingelegt werden. Das ist deine Aufgabe. Dein Auto kann das nicht für dich regeln. Auch nicht, wie schnell und wie achtsam es fährt. Es ist auf deinen Willen, deine
Kompetenz und auf deine Intuition angewiesen. Du bist der Fahrer auf deinem Lebensweg.
Achtung, Achtung, das war eine wichtige Mitteilung an dich.“
Du fährst weiter.
Ein Schild taucht an der Seite auf und du siehst hin.
Es zeigt eine Bank, die umgeben von Bäumen ist.
Erholungsgebiet Heilige Seele in 3km steht drauf.
Du fährst weiter.
Ein weiteres Schild taucht auf und du siehst hin.
Es zeigt einen Freizeitpark, der viele Fahrgeschäfte enthält.
Funpark Holy Body in 7km steht drauf.
Du fährst weiter.
Wieder taucht ein Schild auf und du siehst hin.
Es zeigt eine Altstadt, mit einer Burg und einer Brücke.
Soul City in 9km steht drauf.
Was tust du? Wie entscheidest du dich?
Steuerst du eines der Ziele an oder nicht?
Du bist der Fahrer auf deinem Lebensweg.
Ihr seid an einem näheren Kontakt zu Nadine oder an ihrem Buch interessiert, eventuell auch an einer Lesung oder Vortrag?
Dann schaut gerne über den hinterlegten Link auf Nadines Website vorbei. Dort findest du zudem die Möglichkeit, Nadine`s Buch zu erwerben.
Wenn du auf meinem Blogazin ein wenig zurück blätterst, gelangst du zu Nadine´s Gastbeitrag, in dem sie euch von ihrer Erkrankung, aber auch von ihrer Überzeugung erzählt, dass das Leben manchmal Herausforderungen bereithält, die Kreativität erfordern!
Lest gerne mal vorbei...