Die Nutzung der sozialen Medien ist für viele seiner Nutzerinnen und Nutzer aus unserem Leben heute nicht mehr wegzudenken. Wir teilen Momente unseres Alltags, unsere Ansichten und Überzeugungen und manchmal auch nur banale Nichtigkeiten. Dabei kann jede*r für sich die Entscheidung treffen, wie viel er aus seinem Leben berichten möchte und ob man neben den schönen Momenten auch schwierige Lebenssituationen anspricht.
Als ich im Mai 2013 mit dem öffentlichen Bloggen startete, war ich eine der ersten Frauen in Deutschland mit der Erkrankung Brustkrebs, die diesen Schritt wagte. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie aufgeregt und nervös ich bei der Veröffentlichung meines ersten Artikels war und wie oft ich bis heute manchen meiner Beiträge kritisch hinterfrage, ehe ich ihn veröffentliche.
Nicht selten wurde ich wegen des öffentlichen Schreibens milde belächelt oder gefragt, wozu dies denn überhaupt gut sei?
Doch für mich entwickelte sich das Bloggen zu einer Möglichkeit, mit anderen an Krebs erkrankten Menschen in den direkten Austausch zu treten. Indem ich von meinen Erfahrungen berichtete, konnten sich andere Betroffene mit meiner Situation identifizieren. Sie fühlten sich durch meine Zeilen verstanden, weil sie ähnliches erlebten. Ich erlaubte Anteil zu nehmen, veränderte vielleicht auch für manche Leserin und Leser den Blickwinkel und reiche bis heute im virtuellen Sinne meine Hand. Unabhängig von dritten vermittle ich Informationen für an Krebs erkrankte Menschen, fördere das Netzwerken und den gemeinsamen Austausch. Mittlerweile reicht mein Engagement weit über das Schreiben hinaus. Denn es gilt Verbesserungen auf den unterschiedlichsten Ebenen für an Krebs erkrankte Menschen und ihre Familien zu erreichen. Diese Möglichkeit hätte ich ohne das Bloggen vermutlich niemals erhalten.
Raus aus der Tabuzone Krebs, mit Anlauf hinein in die Öffentlichkeit!
Was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien, entwickelte sich in kurzer Zeit zu einem Phänomen innerhalb der sozialen Medien. Denn meist jung an Krebs erkrankte Menschen entdecken zunehmend die vielfältigen Möglichkeiten des öffentlichen Schreibens. In ihrem Alltag sind sie seit Jahren im Umgang mit den sozialen Medien geübt und nutzen nahezu täglich die unterschiedlichsten Netzwerke und Tools. Mit der erschütternden Krebsdiagnose stellt sich für manch eine*n nun die persönliche Frage,
- berichte ich auch über diesen entscheidenden Einschnitt in meinem Leben
- oder folge ich lieber aktiv oder als stille Leserin oder Leser an Krebs erkrankten Menschen
- oder vermeide ich den Kontakt zur Krebscommunity, weil mich der Austausch unter Umständen negativ triggert?
Brustkrebspatientinnen die einen öffentlichen Account pflegen, sind bei ihrer Erstdiagnose meist zwischen Mitte 20 und Ende 40. Sie lassen Anteil nehmen, schenken sich und ihrer Community Mut und berichten im besten Fall von ihrem Leben nach Krebs. Aber so geht es längst nicht allen. Denn manche der Frauen teilen eines Tages ihrer Community die erschütternde Nachricht mit, dass ihre Erkrankung mit den unterschiedlichsten Verläufen fortschreitet oder dass ihre Erkrankung bereits bei der Erstdiagnose metastasiert ist. Und erneut teilen sie öffentlich ihre Erlebnisse mit anderen Betroffenen und Interessierten. Denn das Schreiben kann ein Schlüssel zur Krankheitsbewältigung sein und die Unterstützung der Community ein emotional stärkender Mut-Anker bedeuten.
Frauen mit einer metastasierten Brustkrebsdiagnose zeigen zunehmend kritisch, dass sie sich einen Tabu freien Umgang mit einer fortgeschrittenen Brustkrebsdiagnose wünschen und was es dazu aus ihrer Sicht braucht.
Nicht selten ziehen sich betroffene Frauen in Brustkrebsgruppen innerhalb Facebooks oder oder Selbsthilfegruppen zurück, weil sie Frauen mit und nach der Erstdiagnose nicht ängstigen möchten. Mit der Diagnose Metastasen tauschen sie sich lieber in separaten Gruppenangeboten aus, wo man einander versteht und gegenseitig unterstützt, ohne die Furcht der Ablehnung und Ausgrenzung zu erfahren.
Ein Auflehnen gegen erlebte Ausgrenzung
Manche der Frauen möchten dies nicht mehr hinnehmen. Dies ist eine Entwicklung der letzten drei oder vier Jahre, die vor allem in dem Netzwerk Instagram gut zu beobachten ist. Und ja, es sind überwiegend junge Frauen die sich dazu entschieden haben, diesen Weg zu gehen. Denn sie möchten nicht länger hinnehmen, dass zwar über sie gesprochen wird, aber nicht mit ihnen. Sie möchten sich verstärkt vernetzen, setzen sich für einen sensiblen Sprachumgang ein, wirken an Projekten mit und schaffen Awarness. Es geht um Hoffnung, um Mut spenden und realistisch aufzeigen, wie vielfältig Lebensläufe mit einer palliativen Erkrankung aussehen können. Mit allen schwierigen Aspekten, aber auch den Tagen voller Lebensfreude und Glück.
Eine Entwicklung die Mut macht, so bitter sie auch ist!
In wenigen Jahren werden in den sozialen Netzwerken wesentlich mehr Frauen mit einer metastasierten Brustkrebserkrankung zu finden sein. Unter ihnen werden sich dann zunehmend auch ältere Patientinnen befinden. Denn einige der Frauen, die heute vielleicht mit ihrer Erstdiagnose abgeschlossen haben über die sie in der Vergangenheit oder aktuell berichteten, werden sich morgen mit einer Nachricht an ihre Community wenden, die niemand von uns verfassen möchte.