Das Leben nach Krebs - von einfach war nie die Rede!

Wie schwer muss einer Frau ums Herz sein, wenn sie schreibt, dass niemand darüber spricht, wie schwer es tatsächlich ist, sich im Leben nach Krebs zurechtzufinden? Mich haben ihre Zeilen auf einem Post auf Instagram sehr berührt, denn ich weiß ja definitiv aus eigener Erfahrung, wie schwer sich vor allem das erste Jahr nach Krebs anfühlt, wenn im Leben scheinbar nichts mehr zusammen passt. Auf der einen Seite erwarten nahezu alle von dir, dass man an sein altes Ich möglichst nahtlos anzuknüpfen hätte, aber für sich selbst stellt man meist schon nach kurzer Zeit fest, dass dies in den seltensten Fällen funktioniert und wenn man sich dies während der Therapien noch so sehr wünschte.

 

Und wie sollte dies denn auch anders sein?

 

Was viele und oft auch wir selbst für uns vergessen, ist schlicht und ergreifend die Tatsache, dass wir traumatisierte Menschen sind. Traumatisiert über Erlebnisse, Sorgen und Ängste, die wir eine lange Zeit während der Behandlungen und weit darüber hinaus aushielten. Denn wenn es heute von unserem Behandlerteam heißt, dass die Behandlung erfolgreich abgeschlossen sei und wir in scheinbare Gesundheit entlassen werden, dann ist noch längst nicht alles vorbei. Wir mussten und müssen weiterhin Schmerzen aushalten, von denen sich viele kaum eine Vorstellung machen können. Unser Körper und unsere Seele sind von Narben gezeichnet. Uns fehlen Körperteile und Organe. Unser Körperbild ist für manch eine für immer bis zur Unkenntlichkeit verändert. Viele von uns müssen noch auf Jahre weiterhin Medikamente nehmen. Uns setzen Nebenwirkungen, Langzeit- und Spätfolgen zu wie Neurophatien, Fatique oder posttraumatische Belastungsstörungen, um nur einige zu nennen. Von den vielen Stressmomenten, wenn neue Untersuchungen anstehen, reden wir gar nicht erst.

 

Und manchmal möchte man auch gar nicht mehr an sein altes Leben anknüpfen, weil wir den Fokus auf unser Leben neu ausrichten wollen oder gar müssen, um uns neu im Hier und Jetzt zu verankern. Manche betrachten ihr Leben nach Krebs als die Chance für ihr Leben schlechthin. Für mich selbst betrachtete ich dies nie so. Auf die Erfahrung Krebs hätte ich für mich und meinen Sohn sehr gerne verzichtet. Aber das Leben hat nun mal nicht danach gefragt, ob wir bereit für die Erfahrung Krebs sind. Aber ich habe für mich die Möglichkeit ergriffen, mich im Leben nach Krebs neu zurechtzufinden. Und das war bisweilen äußerst schmerzhaft und nur schwer auszuhalten. Ganz gleich ob für mich oder mir nahestehende Menschen. Bis heute ist meine Sicht auf das Leben und mein Selbstverständnis, ein stetiger Prozess der Neuorientierung. Mein Leben ist heute auch nicht besser als vor meiner Erkrankung. Es ist einfach anders und dabei reich angefüllt mit einer  außergewöhnlichen Portion Lebenserfahrung.

 

Was mir wichtig ist anzumerken

 

Dass wir, die wir an Krebs erkrankt waren oder vielleicht auch wieder sind, anderen die nach uns kommen durchaus mitzuteilen versuchen, wie verloren man sich im Leben nach Krebs fühlen kann. Es ist nur so, dass der Fokus einer Patientin während ihrer Therapie ganz klar darauf liegt, diese überhaupt erst einmal zu überstehen. Und das ist richtig so und für sie  existenziell überlebenswichtig. Aber auch weil dies so ist, hört sie uns vielleicht schlichtweg nicht, wenn wir vom Leben "Danach" berichten, weil sie dies überfordern würde. Denn alles andere wäre für viele kaum auszuhalten, wenn Frau sich während ihrer Therapie auf ein Leben nach Krebs freut.

 

Tatsache ist

 

Wir alle müssen lernen, uns im "Danach" zurechtzufinden. Der einen wird es dabei besser gelingen als der anderen. Unseren Weg müssen wir nicht alleine gehen. Wir können uns Gleichgesinnte oder professionelle Unterstützung in den unterschiedlichsten Bereichen suchen. Ob wir uns dabei auf die guten Dinge besinnen, die uns Kraft und Mut schenken oder doch lieber auf all das stützen, was wir verloren haben, das liegt ein Stück weit an uns selbst. Aber vieles wird besser. Leichter. Stück für Stück. Mit jedem guten Tag und schönen Konfetti-Momenten, die wir erleben. An solchen und anderen Tagen, dürfen auch Tränen dazu gehören. Aber auch Trauer, Wut und Kummer. Solange wir die Hoffnung und Lebensfreude nicht aus unserem Blick verlieren und immer wieder unser Herz und Sein auffüllen.


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Kommentare: 1
  • #1

    Melanie (Montag, 25 April 2022 21:11)

    Wow , so toll geschrieben und genauso ist es auch. Auf ein Leben danach, voller Sonne und Konfetti �

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