Ich war ein K I N D von 9 Jahren, als ich zum ersten Mal in meinem Leben die eigene Endlichkeit spürte und für mich begriff, dass ich sterblich bin. Mein Bett in einer Kinderklinik, stand über viele Monate quer vor einem Fenster, sodass ich nachts die Sterne beobachten und über die Unendlichkeit am nächtlichen Firmament staunen konnte, die mir schlichtweg den Atem nahm und mein Innerstes zum Kribbeln brachte. Das Fensterbrett war breit genug, dass ich mit angezogenen Beinen auf ihm sitzen konnte, den Geruch des Fensterglases in meiner Nase, behaucht von meinem warmen Atem.
Die kindliche Vorstellung eines Himmels, in dem wir Weggefährten nach unserem Tod treffen werden, trage ich nicht in mir. Die tröstliche Vorstellung der Reinkarnation, verlor sich für mich im Laufe der letzten Jahre ebenso sehr. Und war für mich auch nicht vollständig schlüssig, weil es vor hunderten und tausenden von Jahren, so viel weniger Menschen gab als heute. Somit kann es doch gar nicht genug Seelen für uns alle geben, wenn wir unseren Ursprungsort berücksichtigen? Oder sind unsere Seelen in ihrer Essenz teilbar und multiplizieren sich, ähnlich wie unsere Körperzellen? Und wenn dem so wäre, müssten wir dann heute nicht in einer besseren Welt leben, frei von Kriegen, Missgunst und Unverständnis für unser Gegenüber, weil wir es in unserem neuen Leben besser machen sollten, als in einer unserer möglichen Vergangenheiten? Es heißt, Seelen könnten vielfach geboren werden. Manch einer sagt, dass die Seelen meines Sohnes und die meine, sehr alt seien. Schenkt mir dieser Gedanke Trost? Nein. Dafür fühle ich mich manches mal viel zu sehr verloren und alles andere als frei von Schuld oder erfüllt von inneren Unzulänglichkeiten. Darf genug nicht genug sein? Für dieses und womöglich alle anderen Leben, auch wenn ich mein jetziges Leben gerne lebe?
Ich denke eher, unser Sein hört mit unserem letzten Atemzug auf. Zuvor stirbt unser Körper. Manchmal ganz plötzlich und manchmal über einen erschreckend langen Zeitraum hinweg. Unser Licht und unsere Schatten werden getragen von den Erinnerungen der Menschen, die ein Teil unseres Lebens ausmachten. Aber was weiß ich schon vom Leben und der (Un-)endlichkeit unseres Seins?
Es gab Menschen in meinem Leben, die mir erzählten, dass ich vermutlich in einem meiner vorherigen Leben, etwas falsch gemacht haben muss, ich deshalb Mutter eines Sohnes mit Behinderung wurde oder dies eine Möglichkeit sei, warum ich an Krebs erkrankt sei. Dass ich mir mein Leben vor meiner Geburt ausgesucht hätte, um mental zu wachsen und mich weiter zu entwickeln. Mich haben diese Gedanken schier zur Verzweiflung gebracht. Denn welch unversöhnliche Schuld sollte ausgerechnet mein Sohn in sich tragen, um in diesem Leben sein Leben mit Behinderung zu schultern?
Irgendwann musste ich gehen, mich distanzieren um zu überleben und um ein Stück inneren Friedens zu finden. Das muss niemand verstehen. Da ist kein Groll in mir. Nur tiefe Traurigkeit, stille Trauer und der Wunsch von unendlicher Ruhe und Frieden für den Menschen, den ich verlassen habe, um nicht zu zerbrechen. Dich...
Teddy ist so müde, will jetzt schlafen gehn.
Seine kleinen Beinchen, können nicht mehr stehn.
Wo war er nur rumgelaufen, seit heut Morgen früh?
Bei den Schäfchen auf der Weide und beim Kikeriki, bumm bumm...
Das Lied hast du mir vorgesungen, als ich noch klein war. Später habe ich es mir vorgesungen, wenn ich nachts nicht schlafen konnte und noch ein wenig später meinem Sohn. Jetzt, bist du für immer fort...
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