Ehrenamtliche Sterbebegleiterin

Liebe Lesenden,

 

als Nicole mich fragte, ob ich nicht einen Gastbeitrag für ihren Blog schreiben möchte, habe ich sofort „Ja, klar!“ zurückgemeldet. Nun sitze ich hier also und versuche in den mir vorgegebenen 8000 Zeichen zu beschreiben, warum ich ehrenamtliche Sterbebegleiterin geworden bin und „was es mir bringt“, wie ich so oft gefragt werde. Doch bevor ich ich darauf eingehe, erst einmal ein paar Worte zu mir:

 

Ich heiße Bianca, bin 47 Jahre jung und 2012 an Brustkrebs erkrankt. Das ist auch meine Verbindung zu Nicole, die mir damals, wie viele weitere wunderbare Frauen in den entsprechenden Facebook-Seiten mit vielen nützlichen Ratschlägen, Tipps und tröstenden Worten zur Seite stand. Beim Race-for-the-Cure haben wir uns dann auch persönlich kennengelernt und seitdem nie so ganz aus den Augen verloren. Und wenn ich hier schon einen Gastbeitrag schreiben darf, möchte ich nicht verpassen zu sagen, wie sehr ich Nicole bewundere für ihre Kraft und ihr unermüdliches Kämpfen um ein gutes Leben für Justin und sie.

Damals habe ich schon gemerkt, wie gut es tut, in so einer Zeit nicht alleine zu sein, sich austauschen zu können, abgelenkt zu werden und einfach auch mal den Krebs vergessen können für einen kleinen Augenblick …

 

Nachdem ich „Horst“ (so hieß mein Tumor damals) besiegt und ich mich in meinem neuen Leben zurechtgefunden hatte (denn nach einer Krebserkrankung ist man nicht mehr die gleiche, weder körperlich noch seelisch), wollte ich etwas „zurückgeben“. Etwas von den vielen positiven Momenten, die ich in der Krankheitsphase erleben durfte, etwas von dem Gefühl, zu verstehen, wie man sich in so einer Situation fühlt und Ängste und Ungewissheit nehmen oder einfach nur anhören.

 

Also machte ich mich auf die Suche nach einem Ehrenamt und wurde fündig: Ehrenamtliche Hospiz-/Sterbebegleiterin im Mildred-Scheel-Haus an der Uniklinik in Köln. Die Kurse waren allerdings sehr gefragt und so dauerte es bis zum Herbst 2018, bis ich einen Platz in einem Kurs bekommen hatte. Die Ausbildung zog sich bis April 2019, mit Abend- und Wochenendterminen.

 

Der Kurs hatte es wirklich in sich, die Übungen brachten mich teilweise an meine Grenzen und auch darüber hinaus (besonders die Übung, wo ich meinem Gegenüber 2 Minuten sagen musste „Ich sterbe und du lebst“ und mein Gegenüber erwiderte „Ich lebe und du stirbst“). Aber ich wusste ja, wofür ich dies alles tue und es war auch gut und richtig so. Der Kurs hat meine Einstellung zum Leben und zum Tod noch einmal verändert und verfestigt.

 

Seit der Ausbildung habe ich schon einige Menschen begleiten dürfen auf Ihrem letzten Weg. Wie oben schon geschrieben fragen mich viele, warum ich das mache und was es mir bringt …

 

Ich mache es, weil ich weiß, wie man sich in einer schier ausweglosen Situation fühlt, weil ich weiß, wie gut es ist, wenn dann einfach mal jemand kommt, der einen aus diesem „krank sein“ entführt in ein Stück Normalität, der mit einem lacht, über Alltägliches redet oder einfach auch mal nur die Hand hält und gemeinsam mit einem schweigt.

 

Die Frage nach dem „was bringt es dir“ war für mich am Anfang gar nicht so einfach zu beantworten. Eigentlich muss es mir auch nichts bringen, sondern demjenigen, den ich da besuche. Ihm oder ihr möchte ich eine gute Zeit gestalten, ablenken, zuhören, lachen, weinen, einfach da sein.

 

Aber natürlich gibt es mir auch eine ganze Menge zurück: Begegnungen mit wunderbaren Menschen, Lebensgeschichten, die ich mir anhören darf und ja, es macht mich auch glücklich und zufrieden, wenn ich sehe, dass die sterbenskranken Menschen ein wenig abgelenkt werden.

 

Es ist auch spannend, sich auf die unterschiedlichsten Menschen einzulassen, je nach Krankheitsbild können sie manchmal Realität und Phantasie nicht unterscheiden, dann muss man manchmal auch Kaninchen unter dem Bett hervorholen oder Papageien einfangen … Oder sich mit jemandem zu unterhalten, der nicht mehr sprechen kann. Mit Buchstabenblatt und Sprachcomputer … Oder auch mal zu erleben, dass man gerade zur falschen Zeit ins Zimmer kommt und rausgeschmissen wird. Alles Erfahrungen, die ich nicht mehr missen möchte.

 

Was mich mittlerweile allerdings oft stört, ist die Bezeichnung „Sterbebegleiterin“. Ich finde eigentlich, dass das nicht stimmt, denn ich begleite in erster Linie nicht das Sterben, sondern das Leben, auch wenn es der letzte Lebensweg ist, es ist das Leben in diesem Moment, welches ich versuche, ein wenig leichter zu machen mit meinem Dasein.


Bianca findet ihr auf Instagram als kommunenkind.


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