Soziale Medien - Fluch und Segen zugleich

Nicht jeder Account innerhalb der sozialen Medien erhält die Aufmerksamkeit, die man sich für ihn wünschen würde oder die er verdient hätte. Manche werden überhäuft mit Sichtbarkeit, andere, und unter ihnen befinden sich viele Menschen, Vereine und Organisationen mit wertvollen Geschichten und Input, werden beschnitten in ihrer Reichweite oder hatten einfach nicht das entsprechende Quentchen Glück. Über je mehr Follower ein Account verfügt, umso interessanter scheint er für evtl. Kooperationspartner zu sein. Auch wenn dieser uns „nur“ hübsch verpackte Zitate, garniert mit stilvoll fotografierten Bildern anbietet, mit denen das neueste must have angeboten wird. Viele Influencer bieten uns eine bizarre Alltäglichkeit an, die mit der Realität der wenigsten etwas zu tun hat. Sie polarisieren. Sie unterhalten? Sie lassen nacheifern? Wecken Begehrlichkeiten? Mich irritieren sie einfach nur...

 

Wenn du dich nicht den allgemeingültigen Algorithmen unterwirfst, möglichst oft sichtbar bist, Emotionen anbietest und die strahlende Show eines Gewinners oder Verlierers präsentierst – fällst du schnell in der Reichweite hinunter. Als Konsument der sozialen Medien sollen wir zudem möglichst viel liken, kommentieren und teilen, ehe wir mit der Gunst einer evtuellen Sichtbarkeit belohnt werden. Das meine Lieblings-Accounts zunehmend aus meinem Feed verschwinden, dafür sorgt ein Algorithmus im Hintergrund, der darüber entscheidet, was ich fremdbestimmt zu sehen bekomme.

 

Dabei können soziale Medien so viel mehr. Es lässt Menschen zueinander finden, die beispielsweise in existenziellen Krisen stecken und die sich gegenseitig unterstützen können. Wir lernen einen Blick auf das Leben von Menschen kennen, der uns bislang verborgen war. Wir können von ihrem Umgang mit schwierigen und schwierigsten Situationen lernen. Wir lassen uns von Geschichten verzaubern, die unser Herz berühren. Wir müssen dabei nicht mehr darauf warten, von unterschiedlichsten Medien entdeckt zu werden, um diese zu erzählen. Alleine durch unseren offenen Umgang, können wir bewegen und sorgen für Tabubrüche. Wie viel jemand dabei von sich preisgibt, muss jeder für sich selbst verantworten und entscheiden.

 

Ich bin mir bewusst, dass meine Sichtbarkeit ein Privileg ist. Das ihr euch von uns berührt fühlt, berührt und erstaunt mich immer wieder. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ich innerhalb der sozialen Medien zu wenig biete. Meine Erkrankung liegt für einen oberflächlichen Betrachter zu lange zurück. Justin sieht für viele nicht behindert genug aus und wenn seine tatsächlichen Einschränkungen auch noch so groß sind und ist zudem ein erwachsener junger Mann. 

 

Vieles von dem was ich im Bereich Netzwerken udm. auf den Weg bringe, findet außerhalb der sozialen Medien statt. Dabei sitze ich oft alleine an meinem Laptop. Kommuniziere mit anderen aus der Community auf den unterschiedlichsten Wegen. Suche nach Lösungen für mehr Sichtbarkeit für Menschen mit und nach Krebs und eine inklusive Gesellschaft. Bringe neues auf den Weg und habe die inspirierende Möglichkeit, an den unterschiedlichsten Projekten mitwirken zu dürfen. Oft höre ich anderen einfach nur zu. Schenke Verständnis, Mut und manchmal vielleicht auch einen neuen Blick auf Erlebtes oder kann einen wertvollen Tipp weitergeben.

Ich bin nicht der Mensch, der sich selbst mit seiner Kamera dabei tagtäglich begleitet. Ganz gleich, ob ich als Bloggerin unterwegs bin, privat als Nicole oder Mama. Ich möchte meist einfach nur den Moment genießen, ohne einen geeigneten Content für meinen Blog oder Account zu berücksichtigen.

 

Meine Reichweite ist über die Jahre als Bloggerin innerhalb der sozialen Medien langsam gewachsen und stagniert häufig. Unabhängig dessen, wie viel ich mit meinem Tun als Brustkrebs-Aktivistin, Patientenvertreterin und Justins Mama über die Jahre erwirkt habe.

Deswegen ist mein Tun nicht weniger wertvoll als das eines Influencers oder größeren Accounts. Und ja, manchmal bin ich frustriert darüber, habe aber andererseits kein Interesse, mich konform zu verbiegen. Denn mein Leben findet außerhalb der sozialen Medien statt. Ich entscheide jederzeit neu, welche privaten Einblicke ich teilen möchte. Selbst über die Einblicke, die ich biete, kann man immer noch diskutieren, ob diese jetzt wirklich notwendig waren. Zudem hasse ich es, Selfies zu erstellen oder Videos von mir zu kreiieren. Ich fühle mich dabei immer ganz furchtbar narzistisch und einfach nur: seltsam! Ich weiß! Wenig sinnig für eine Bloggerin...

 

Wir ALLE haben Geschichten zu erzählen, die es wert sind, gehört zu werden. Und nur weil jemand zig-tausende Follower auf seinem Account hinter sich stehen hat, ist er kein besserer Mensch, auch wenn manch einer dies vielleicht von sich glauben möchte. Wir brauchen keine Filter, um unser Leben zu leben oder nahbar zu wirken. Mir ist ein ungeschminkter Mensch lieber als jemand, der zig Filter über seine Bilder und Videos legt. Ganz gleich, ob es sich um den neuesten Rabattcode handelt oder ähnliches. Der oder diejenige, hatte an manchen Stellen einfach nur mehr Glück in Bezug Reichweite und Sichtbarkeit, den ihr mit eurer Zeit unterstützt. Mehr aber auch nicht. Hinter Follower stehen Menschen. Das seid IHR und IHR bringt eure Geschichte mit. Und trotz eures Alltags nehmt ihr euch den Augenblick Zeit, Anteil an Justins und meiner Geschichte zu nehmen.

 

Danke für eure Zeit und euren Spirit. Ohne euch, würde es unseren Blog nicht geben...


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Kommentare: 1
  • #1

    Vivien Schwitzkowski (Sonntag, 24 Januar 2021 18:39)

    Liebe Nicole,

    du sprichst mir aus der Seele.
    Aber sind wir nicht diejenige die den wichtigsten Output haben und mit unseren Follower mehr und mehr verbunden sind, als die Z-Influencer die ihre Rabatt Codes haben.

    Wir haben mehr Austausch und Erfahrung am Leben, als Sie die nur durch ihr Aussehen oder TV Auftritte, Ruhm erlangt haben. Sie, die Oberflächlichen, sind kleiner als wir die mit dem wirklichen realen Leben.

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