Heike

Liebe Leser(in),

 

lange habe ich darüber gebrütet, wie ich diesen Artikel beginnen soll. Ich beginne ihn mit meinem Lebensspruch und dem Ende der Therapie, den wir mit einer Lebensfeier mit Familie und allen Freunden gefeiert haben:

 

Egal wie die Frage lautet, Liebe ist immer die Antwort!

 

Ich heiße Heike Lemanzyk und bin 54 Jahre. Zu mir gehören ein Ehemann und zwei bereits erwachsene Kinder. Mein Mann und ich sind jetzt 34 Jahre verheiratet und schon gemeinsam durch viele Krisen gegangen. Unsere Tochter hat einen jüngeren Bruder, der schwerst-mehrfachbehindert ist.

 

Ich habe Nicole letztes Jahr im September in Hamburg kennengelernt. Wir waren dort zu einem Fotoshooting der MEINS eingeladen. Thema war der Brustkrebs und wie wir persönlich diese Krise überwunden haben und was das für unser Leben bedeutet. Schnell war klar: uns verbindet vieles, denn auch Nicole weiß was es heißt, einen behinderten Sohn im Leben zu begleiten. Als Nicole mich gefragt hat für ihren Blog einen Artikel zu schreiben, war ich kurz im Zweifel, ob ich so etwas kann. Hier geht es um MUT und so will ich nun versuchen den hier zu verbreiten…

 

Im Oktober 2018 kam die Diagnose Brustkrebs (triple negativ, 2,8 cm groß) in mein Leben. Schock und Stillstand im Familiensystem waren erstmal die Folge. Roter Button nenne ich es heute noch gerne, wenn ich darüber im Rückblick erzähle. Man drückt ihn und zuerst ruht das bisherige Leben.

 

Unser Sohn lebte damals noch bei uns und hat einen großen Teil unseres Lebens ausgemacht. Viele Einschränkungen und Sorgen rund um ihn waren Mittelpunkt bei uns. Er kann nichts alleine. Er benötigt bei allen Tätigkeiten Hilfe. Essen, Waschen, Laufen, nichts davon geht ohne Unterstützung.

Wie sollte das jetzt alles zusammen gehen, wenn ich eine komplexe Therapie machen sollte? Chemo, OP und noch eine Bestrahlung? Fragen über Fragen und man steht vor einem riesigen Berg, der erst mal unüberwindbar scheint.

Da mein Mann und ich aber beide sehr lösungsorientiert handeln, haben wir überlegt, wen man alles benötigen würde, um unser Leben aufrecht zu erhalten. Also habe ich mich auch für mich auf das Schwierigste überhaupt eingelassen, nämlich Hilfe anzunehmen und zuzulassen. Bis dahin war ich der Macher!

 

Innerhalb von drei Wochen, in der alle Untersuchungen liefen, hatten wir ein System am Start, dass zwar etwas wackelig war, aber mit dem alles weiterlaufen würde.

  • Mein Mann übernahm viele meiner Hausfrauen- und Pflegetätigkeiten.
  • Unsere Tochter hat wann immer sie konnte ihren Bruder unterstützt und wir haben eine tolle Frau gefunden, die unseren Chris fast jeden Nachmittag betreut hat. Drei junge Frauen aus seiner Behindertenwerkstatt haben sich abgewechselt und die restlichen Zeiten abgedeckt.
  • Wann immer Not war, ist jemand aus der Familie eingesprungen. Meine Cousine kam mit dem großen Topf Suppe aus Köln, meine fast 80-jährige fitte Tante hat mich einmal die Woche fürstlich bekocht.
  • Ich könnte noch mehr von all diesen tollen Menschen aufzählen, z. B. Nachbarn, die uns immer wieder mit ihrem Einsatz überrascht haben und uns viele Dinge erleichtert haben. All diese Menschen haben zu meiner Genesung beigetragen. Es waren so viele, ich hatte nicht mit so viel Empathie und Hilfsbereitschaft gerechnet.

Große Dankbarkeit überkommt mich gerade wieder. Ich habe es zugelassen und empfangen…

 

Denn Krebs ist immer noch ein Tabuthema, allerdings nicht bei mir. Ich habe jeden, der Interesse hatte, auf dem Weg durch die Chemotherapie mitgenommen. Versucht zu erklären, was Chemo mit einem macht. Wenn man es nicht selbst erlebt, kann man es natürlich nicht wirklich verstehen, aber mir war es so wichtig anderen zu signalisieren. Fragt, und ich werde versuchen es euch zu erklären und auf dem Weg mitzunehmen. Wir haben viel in dieser Zeit voneinander gelernt. Gelernt was Leben heißt. Leben heißt für mich Vertrauen haben in sich selbst und das alles so kommt, dass man seine Lebensaufgabe erfüllen kann.

 

Das Wichtigste im ganzen Therapiedschungel ist der Zusammenhalt untereinander und ein starkes Netz, dass einen auffängt, wenn die Therapie alle Nebenwirkungen auf einmal auspackt und einen auf die Couch wirft, auf der man sein Leben nun einrichtet. Nach den ersten vier Chemos ging bei mir erstmal gar nichts mehr. Unser Sohn war von all dem, was mit mir passierte, völlig überfordert und hatte jeden Tag etwas anderes. Von Rückenschmerzen über Kopfschmerzen war alles dabei.

 

Zum gleichen Zeitpunkt war meine Intuition wieder so stark im Vordergrund, dass ich meine Entscheidungsgewalt zurückgefordert habe. Ich wollte jetzt eine OP und nicht erst am Ende der Chemotherapie. Das kam nicht so gut an!

Beim ersten Gespräch hatte ich meinem Arzt bereits gesagt, dass ich gut ohne diese Brust leben könnte. Ärzte wollen aber immer ihr bestmögliches Ergebnis erzielen und der Patient wird eher nicht gehört. Alles wird nach Plan abgespult, auch wenn es immer heißt: Sie entscheiden!!!

Jetzt hatte ICH entschieden, und zwar die Brust darf gehen. Wir hatten eine gute Zeit zusammen, die jetzt endet. Nur mit Hilfe meiner Frauenärztin konnte ich dieses Ziel erreichen. Sie hat mich unterstützt und nicht gleich für verrückt erklärt. Ich wollte wieder richtig selbstbestimmt durch meine Leben gehen. Schließlich ist es meins und ich bin die Frau im Haus. Denn mal ehrlich, wieviel Ärzte hatten bereits das Vergnügen einer Chemotherapie, um uns Frauen wirklich zu verstehen?

 

In dieser ganzen Zeit war mein Mann immer an meiner Seite. Mein Fels!

 

Sein Arbeitgeber hat ihm ermöglicht im Homeoffice zu arbeiten, wann immer ich ihn brauchte. Er hat mich zu allen Chemotherapien begleitet. Mich mental unterstützt, mir gut zugeredet wenn die Kraft zu Ende schien und mir immer das Gefühl gegeben, wie wichtig ich in seinem Leben bin und dass er mich auch weiter lieben wird. Mit oder ohne Haar. Mit oder ohne Brust. Nach der zweiten Chemo hat er mir auf der Straße einen erneuten Heiratsantrag gemacht. Das Romantischste was ich je erlebt habe. Ich habe "Ja" gesagt und auf unserer Lebensfeier haben wir nach 33 Jahren noch einmal "JA" zueinander gesagt.

 

Nun fragt ihr euch jetzt bestimmt, was ich denn so alles getan habe, um mich immer wieder aus den Löchern zu holen? Ich sag euch, das war ein tagesfüllendes Programm...

  • Gutes Essen,
  • jeden Tag eine kleine Runde im Wald,
  • Meditationen,
  • Leberwickel
  • und ganz wichtig in meinem Leben: Jin Shin Jyutsu...

Meine Rettung in mancher Krisenstunde. Es ist die Kunst der Selbstheilung durch Auflegen der Hände. Immer und überall anwendbar, bringt diese Kunst Harmonie in den Körper, Geist und die Seele. Geströmt, so nennt man es, habe ich schon vor der Erkrankung. Während der Behandlungszeit noch viel mehr. Durch die Selbstheilungssequenzen erlebt man das Loslassen von Einstellungen wie Wut, Sorgen und Ängste, die unsere Wahrnehmung einschränken. Zu jeder Chemo habe ich geströmt, um das heilende Gift möglichst schnell auszuscheiden und die Nebenwirkungen klein zu halten.

 

Jeder von euch sollte sich etwas suchen was ihn in dieser Zeit glücklich macht. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich selbst wertzuschätzen. Denn das ist das Allerwichtigste auf der Reise durch die Erkrankung!

  • Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben.
  • Du bist nur dir allein Rechenschaft schuldig, wie du mit dir umgehst.
  • Umgib dich nur noch mit Menschen, die dir guttun.
  • Esse das Schönste was es gibt, in allen Farben.
  • Sag dir jeden Tag wie schön du bist und dass du deinem Körper dankbar bist. Er vollbringt in dieser Zeit Höchstleistungen und ich war oft nur komplett geflasht von der Regeneration dieses Wunderdings.

Am Ende meiner Reise kann ich sagen, alles ist anders, aber sooo gut geworden.

 

Ja, ich habe eine Brust verloren, aber ich habe mich gefunden und mich zum ersten Mal wirklich bis auf den Grund der Seele kennengelernt. Meine Ängste, meine Sorgen. Aber viel Wichtiger: meinen Mut, meine Wildheit, meine innere Schönheit habe ich mit in die Welt gebracht. Und das wünsche ich dir nun auch! Glaube an dich und deinen Seelenweg, den du gehst, glaube an deine Kraft. Feier das Leben und die Liebe.

 

Denn egal wie die Frage lautet: Liebe ist immer die Antwort!

 

Alles Liebe,

Heike


Heike findet ihr hier auf Instagram...


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Kommentare: 2
  • #1

    Monika (Montag, 11 Januar 2021 17:17)

    Liebe Heike,
    ich habe selten eine so schöne Liebeserklärung ans Leben gelesen. Es rührt mich gerade sehr.
    Alles Liebe, Monika

  • #2

    Britta (Dienstag, 12 Januar 2021 20:27)

    Liebe Heike,

    was für eine wunderschöne Liebesgeschichte,Du bist eine tolle und sehr starke Frau und verdienen höchsten Respekt. Das mit dem Jin Shin Jyutsu, findet ich höchst interessant. Ich werde es selbst bei mir anwenden und es auch einer an Krebserkrankten Freundin empfehlen. Dir und deiner Familie wünsche ich alles erdenklich gute für eure Zukunft.

    Viele liebe Grüße

    Britta

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