Am 22. April 2019 flatterte die Anfrage von Nicole in meine Direktnachrichten auf Instagram. „Wow“, dachte ich, „was für eine Ehre!“ und gleichzeitig: „Warum ich? Ich bin doch gar keine von diesen großen Bloggerinnen. Und so sympathisch wie die anderen bin ich doch auch nicht.“
Es ist das immer gleiche Gedankenkarussell, es sind die immer gleichen Ängste. Zu versagen, zu enttäuschen, nicht richtig zu sein, nicht dazuzugehören, nicht gut genug zu sein, Dinge zu sagen oder zu schreiben, die niemanden interessieren, die zu gerade sind, zu faktisch, zu wenig oder zu viel menscheln, verschrecken, polarisieren.
Andererseits möchte ich gerne mit meiner Geschichte, meinem Wissen, meiner Erfahrung, anderen Menschen helfen und Mut machen. Ich möchte Informationen an die Hand geben, aus denen jeder seinen eigenen Wissensschatz aufbauen kann, um dann für sich selbst gute Entscheidungen treffen zu können. Krebs ist so individuell wie der Mensch in dessen Körper der Krebs ist. Kein Patient sollte sich hilflos fühlen. Kein Patient sollte das Gefühl haben, das tun zu müssen, was die Ärzte sagen, sondern sich bewusst und mit einem guten Gefühl auf die jeweilige Therapie einlassen können. Dazu braucht der Mensch Mut. Mut sich zu informieren, Mut die Beipackzettel zu lesen, Mut Fragen zu stellen, Mut ehrlich zu sich selbst zu sein, Mut sich mit dem Tod auseinanderzusetzen.
Heute ist der 21.05.2019. Heute brauche ich Mut. Den Mut diesen Beitrag so zu schreiben, wie ich es für mich richtig finde, wie ich es damals gebraucht hätte. Mut zu versagen, zu enttäuschen, nicht richtig zu sein, nicht dazuzugehören, nicht gut genug zu sein, Dinge zu sagen oder zu schreiben, die niemanden interessieren, die zu gerade sind, zu faktisch, zu wenig oder zu viel menscheln, zu verschrecken, zu polarisieren.
Im September 2015 bekam ich die Diagnose Brustkrebs, den Knoten habe ich selbst getastet und war mir im gleichen Augenblick sicher, dass es Brustkrebs ist. Es war ok für mich. Ich war ganz ruhig und im Frieden damit. Im November wurde ich operiert, der Tumor waren eigentlich zwei und wurden entfernt. „Es ist ein einfacher Krebs“, wurde mir gesagt, „gut zu behandeln, mit vielen Optionen und guten Chancen auf Heilung". Mein Bauchgefühl sagte mir etwas anderes. Meine Lebenserfahrung sagte mir etwas anderes, denn in meinem Leben war nur sehr sehr selten etwas einfach, noch seltener gab es für mich viele Optionen und Heilung war für mich in jeder Hinsicht immer ein eher steiniger Weg, den ich nur für mich selbst finden konnte.
Seit Januar 2017 ist meine offizielle medizinische Bezeichnung „pallitative Brustkrebspatientin“. Für mich macht „Patientin mit chronischem Brustkrebs“ irgendwie mehr Sinn. Mein hormoneller „einfacher“ Brustkrebs war vermutlich bereits zum Zeitpunkt der Erstdiagnose, vielfach in den Knochen metastasiert, wie MRTs im Januar 2017 eindeutig belegten.
Aufgrund diverser anderer chronischer Erkrankungen, gestaltet sich die Leitlinientherapie eben doch nicht so „einfach“, wie sich das die Onkologen in diversen Tumorzentren dachten. Bei jedem Therapievorschlag gilt es die Vor- und Nachteile genau zu betrachten und dabei immer im Auge zu haben, was die Therapie mit meinen anderen Erkrankungen macht. Das macht mich zu einer unbequemen Patientin. Naja, zugegeben, vielleicht nicht nur das. Mitte der 80er Jahre habe ich die Ausbildung zur Krankenschwester und diverse andere medizinische Ausbildungen absolviert und verstehe somit tatsächlich eine Menge von dem, was Ärzte uns als Patienten so gerne ungefiltert in ihrem Kauderwelsch an den Kopf werfen. Das hat für beide Seiten Vor- und Nachteile. Sie müssen nicht erst großartig übersetzen und nette Wörter für medizinische Fakten finden. Andererseits habe ich aber auch ein gewisses Grundverständnis für Physiologie und Anatomie, verstehe etwas von Pharmakologie und Biochemie und kann Studien lesen und verstehen, was widerum für meine Ärzte zu anstrengendem, zeitraubendem Hinterfragen meinerseits führt, denn ich bin keine Patientin, die einfach so mitmacht.
Womit wir wieder bei meinem Bauchgefühl, meiner Intuition und meinem schnellen Verstand sind. Schon als kleines Mädchen konnte ich Dinge und Zusammenhänge intuitiv und bildhaft verstehen, wie ein Film der vor mir Abläuft und mir klar zeigt, ob das gesagte Sinn macht oder nicht. Eine Inselbegabung, die mir bereits diverse Male das Leben gerettet hat. So vermutlich auch bisher.
Die medizinischen Einzelheiten erspare ich euch hier. Wenn es euch interessiert, dann könnt ihr gerne meinen Blog Christine K. – Einfach wäre zu einfach – Das ungewollte Motto meines Lebens lesen.
Im Mai 2017 habe ich, als klar war, dass der übliche Weg leider nicht mein Weg sein kann, aufgrund der Berichterstattung in Stern TV, gemeinsam mit meiner Hausärztin entschieden, dass es sich lohnen könnte, Methadon als Schmerzmittel und aufgrund der von Fr. Dr. Friesen beobachteten antikarzinogenen Wirkung, auch als mögliche Krebstherapie auszuprobieren. Gegen die Schmerzen half es mir gut, allerdings sind auch die Nebenwirkungen nicht zu unterschätzen. Es gibt Menschen, die sehr empfindlich auf starke Opioide und Opiate reagieren. Das scheint bei mir eindeutig der Fall zu sein, denn ich kam nie auf die von Fr. Dr. Friesen empfohlene Dosis von 2x täglich 35 Tropfen. Ich scheiterte schon bei 15 Tropfen am Tag. Ich landete 2x in der Notaufnahme wegen schwerer Herzrhythmusstörungen und konnte 2x einen Darmverschluss nur mit viel Mühe verhindern. Nach einem Jahr beendete ich den Versuch, da auch meine Psyche extrem unter dem Methadon litt.
Seit Dezember 2018 bin ich eine der ca. 40.000 Patienten, die von der medizinischen Cannabistherapie profitieren. Zumindest wenn die Blüten (und ich benutze ausschließlich Blüten, die mir gut tun) auch verfügbar sind.
Auch das gestaltet sich, wie sollte es anders sein, leider nicht so einfach bei mir. Da das BfArM (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) konsequent einen viel zu geringen Teil der zulässigen Menge an Cannabis nach Deutschland abruft, fehlen vielen Patienten viele Sorten, die diese brauchen. Hierzu erschien kürzlich ein Artikel über mich in Focus Online. Im Februar 2019 war ich in Köln im IOZK (Immun Onkologisches Zentrum Köln) um testen zu lassen, welche Krebstherapie bei mir helfen könnte, denn bisher gibt es außer Exemestan, keine „einfache“ Lösung, keine Therapie für meinen „einfachen“ Krebs.
Das Ergebnis dieser Blutuntersuchung war für mich persönlich wie erwartet und dennoch schockierend, ernüchternd, frustrierend. NICHTS. Es gibt nicht eine Therapie, die von großem Erfolg gekrönt ist. Entweder ich besitze keine Rezeptoren, oder ich bin resistent gegen die Wirkstoffe oder, und das ist das einzig Gute, es wirkt nur zu 30%. Na immerhin. Deshalb habe ich auch intuitiv ein ganz großes JA in meinem Kopf gehabt, als ich das Exemestan las, darüber sprach und es in den Händen hielt. Beim Letrozol war das ganz anders und ich habe es auch nicht vertragen.
Nun gut, das Exemestan wirkt, aber nur zu 30% und im letzten PET CT im März 2019, haben meine Wirbelsäule und mein Becken geleuchtet, als hätte ich die Weihnachtsbeleuchtung eingeschaltet. Mein Kreuzbein ist mittlerweile gebrochen und die einzige Alternative, die mir noch zur Verfügung steht, ist die Tumorimpfung im IOZK. Die ist natürlich keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wäre ja auch zu einfach und deshalb haben Freunde von mir einen Spendenaufruf gestartet, denn ich habe nicht das nötige Geld, um diese Therapie machen zu können. Die ersten beiden Behandlungszyklen kosten mindestens 55.000,- Euro. Weitere Kosten kommen noch hinzu für Kontrolluntersuchungen, Laborkosten, Unterbringung während der Behandlungen von mindestens 1 Woche je Behandlung, Versorgung etc.
Nur für den Fall, dass du dich fragst, ob ich denn wirklich ALLES hinterfragt habe, ob ich andere Ärzte hinzugezogen habe, ob diese Therapie vertrauenswürdig ist:
- JA, habe ich! Wirklich! Ich habe meinen Fall in drei unabhängigen Tumorzentren vorgestellt, alle kamen zu dem gleichen Ergebnis. Für mich gibt es keine Studie, eine Chemotherapie kommt nicht in Betracht, die Antihormontherapie ist die einzige Therapieoption. Ibrance (Palbociclib), ein sogenannter CDK 4/6 Inhibitor, den würden mir alle geben, nur um es versucht zu haben und weil eine minimale Chance besteht, dass das Medikament die Wirksamkeit vom Exemestan von unter 30% auf möglicherweise 40% erhöht. Und dass, obwohl der Test ergeben hat, dass ich dagegen resistent bin. Das macht für mich überhaupt keinen Sinn.
Falls du dich für diesen Test interessierst, es gibt verschieden Labore, die so einen Test anbieten und zu denen du dein Blut schicken kannst. Ich setze hier einige Links mit hinein.
Falls du möchtest, lade ich dich gerne ein mit mir in Kontakt zu treten, falls du Fragen zu den Therapien hast, oder du glaubst, dass ich dir helfen könnte etwas zu verstehen, was man dir gesagt hat. Ich bin kein Arzt und gebe keinerlei Empfehlungen ab, ich teile dir lediglich mit, was ich darüber denke oder erlebt habe. Wenn es dir hilft, würde ich mich freuen.
Ich wünsche euch ein wundervolles Leben. Lebt und liebt so viel ihr könnt. Seid achtsam und genießt jeden einzelnen Augenblick, denn ihr habt nur dieses eine.
Eure Christine
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Inge (Dienstag, 21 Mai 2019 20:55)
Du bist wunderbar ❤️