Hallo ihr Lieben!
Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteurin von Mamma MIA! Die Krebsmagazine, ist in einer wichtigen Angelegenheit mit Ihrem eindringlichen Editorial, zur aktuellen Situation der CDK4/6-Inhibatoren und zum Thema Genexpressionstest, bei mir zu Gast. Evas Editorial, findet ihr in der neuen Mamma MIA! Das Brustkrebsmagazin.
Wieder einmal wird an entscheidender Stelle versucht, gegen das Interesse und Wohlergehen von Patientinnen zu handeln. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
entscheidet nun auf Grundlage eines Gutachtens, ob die Kosten für das Medikament langfristig übernommen werden oder nicht. Im Moment werden die Kosten noch getragen, das könnte sich aber ändern,
wenn auch der G-BA "keinen Zusatznutzen" sieht. Aber das bedeutet nicht, dass wir in unserer Aufmerksamkeit nachlassen dürfen. Es geht um ein längeres, krankheitsfreies Überleben und um
mehr Lebensqualität, der betroffenen Frauen!
Manchmal ist es zum Verzweifeln...
Da gibt es medizinische Innovationen, die auf deutschen und internationalen Kongressen als „bahnbrechend“ oder „Quantensprung“ bezeichnet werden. Wir erleben, wie bei der Präsentation von Studiendaten Säle voller Ärzte begeistert applaudieren, weil es durch ein neues Medikament gelingen kann, die Lebensqualität von metastasierten Brustkrebspatienten drastisch zu verbessern, indem das Fortschreiten der Krankheit im Schnitt um zehn Monate hinausgezögert werden kann. Die Rede ist von CDK4/6-Inhibitoren. Als erstes Medikament dieser Wirkstoffklasse wurde Palbociclib im November 2016 in Europa zugelassen, weitere Medikamente dieser Wirkstoffklasse stehen kurz vor der Zulassung. Und dann passiert das, was den Betrachter fassungslos erstarren lässt: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), das von Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beauftragt wird, den „Zusatznutzen“ des Medikaments gegenüber der bereits bestehenden Vergleichstherapie (in diesem Fall der Aromatasehemmer Letrozol allein) zu bestimmen, kommt zu dem Urteil: „In der Studie ließen sich keine Vorteile für den neuen Wirkstoff gegenüber der Standardtherapie nachweisen.“ Mehr noch: „Bei bestimmten Patientinnen überwiegen die Nachteile“. Der Hintergrund ist folgender: Im Gegensatz zu vielen anderen Behörden sieht das IQWiG in einer Verlängerung des „progressionsfreien Überlebens“, also dem Hinauszögern des Fortschreitens der Krankheit, KEINEN Nutzen. Folglich kommt es zu dem Schluss, dass das neue Medikament durch die möglicherweise auftretenden Nebenwirkungen mehr schadet als nutzt.
Ihnen, liebe Leserinnen und Leser,
muss ich sicher nicht erklären, was es für Patienten in einem metastasierten Krankheitsstadium bedeutet, wenn ein Fortschreiten der Krankheit so lange wie möglich aufgehalten werden kann, wenn sie länger symptom- und schmerzfrei sowie in der Lage sind, ihrem täglichen Leben nachzugehen. Aber nicht nur Patienten-, auch Ärztekreise schütteln über dieses Urteil den Kopf. Professor Dr. Christian Jackisch vom Sana-Klinikum in Offenbach zeichnet bei der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) folgendes, wie wir finden passendes Bild:
„Es ist weltweit Standard, dass beim Fußball die Tore zählen. Wer mehr Tore schießt, hat gewonnen. Einige Gesundheitsbehörden in Deutschland sehen das anders. Für sie zählen nicht die Tore, sie beurteilen die Haltungsnoten der Spieler und schließen somit auf das Spielergebnis, und das ist falsch“.
Was bedeutet das für Patienten? Der Gemeinsame Bundesausschuss prüft nun das IQWiG Gutachten und hört Experten zum Thema. Er entscheidet dann, ob das Medikament einen Zusatznutzen für Patienten hat oder nicht. Von diesem Urteil hängt letztendlich die Kostenerstattung ab. Ähnliche politische Diskussionen haben in England dazu geführt, dass das Medikament dort für Patienten zurzeit nicht zur Verfügung steht (nur innerhalb von Studien). Dem Gutachten des Gemeinsamen Bundesausschusses sehen wir allerdings optimistisch entgegen, denn wir gehen davon aus, dass der G-BA im Sinne der Patienten entscheidet und das Wohl und die Lebensqualität der Patienten über methodische Grundsätze stellt.
Das IQWiG-Urteil zu Palbociclib war leider nicht die einzige Bewertung, die Experten- und Patientenkreise in den vergangenen Monaten aufgebracht hat. Das IQWiG sieht auch in Genexpressionstests, die durch Risikoabschätzung helfen können, unnötige Chemotherapien zu vermeiden, KEINEN Nutzen für Patienten. Auch hier steht eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesauschusses aus.
Patienten fühlen sich angesichts dieser Einschätzungen mit ihren Sorgen und Nöten nicht gerade ernst genommen. Doch wie oben bereits erwähnt, bleibt die Hoffnung bestehen, dass der G-BA das Interesse der Patienten eher berücksichtigt und dem Punkt „Lebensqualität“ mehr Gewicht verleiht als das IQWiG.
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